Ein Morgen vor Lampedusa

Die szenische Lesung

EIN MORGEN VOR LAMPEDUSA‚ ist unmittelbar nach der Tragödie vom 3. Oktober 2013 als szenische Lesung mit Text von mir und Musik von Francesco Impastato entstanden. Das Skript in italienischer Sprache wurde von Francesca de Iuliis, Hartwig Heine und Marcella Heine auf Deutsch übersetzt. Bei den ersten Auftritten trug das Stück den Titel “LAMPEDUSA, 3. OKTOBER 2013”. In Italien wurde die Lesung unter dem Titel „QUEL MATTINO A LAMPEDUSA“ präsentiert.

Jochen Gerner, Liane Sickel und Rüdiger Hofmeister am 18.3.2014

Geplant waren zehn bis fünfzehn Veranstaltungen. Da die Lesung von vielen Teams übernommen wurde, auch in anderen Ländern, war die tatsächliche Anzahl der Lesungen deutlich höher. Bis heute fanden 382 Lesungen statt: s. Liste der Lesungen auf www.lampedusa-hannover.de

Die Premiere fand am 30. März 2014 in der Cumberlandschen Galerie in Hannover statt. Der Text wurde von Schauspieler*innen des Staatstheaters Hannover vorgetragen (Susana Fernandes Genebra, Rebecca Klingenberg, Rainer Frank, Camill Jammal und Wolf List). Bei der Vorpremiere am 18. März 2014 im Hauptsitz der Gewerkschaft IG-BCE in Hannover wurde sie von den Sprecherinnen und Sprechern vom Spielkreis Theater der Matthiaskirche präsentiert (Christina von Grone, Liane Sickel, Arne Borstelmann, Jochen Gerner und Rüdiger Hofmeister).

Später wurde der Text der Lesung übersetzt:

  • auf Englisch von Dr. Thomas Borgard, Lisa Palm e Jessica Riccò
  • auf Französisch von Laurence Wuillemin
  • auf Arabisch von Alaa Abdelwahab

Das Buch mit dem Skript

2018 wurde das Skript der Lesung in Italien vom Ecra-Verlag mit einer Einleitung von don Luigi Ciotti, dem Vorwort von Christopher Hein (ehem. Vors. vom Italienischen Flüchtlingsrat) und einem Nachwort von mir veröffentlicht (ISBN: 978-88-6558-243-5)

Auszeichnungen und Rezeption

2016 wurde mir vom Bündnis für Demokratie und Toleranz die Auszeichnung „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ verliehen. Vito Fiorino, einer der Retter aus Lampedusa, war freundlicherweise zu der Veranstaltung nach Berlin gekommen. Das folgende Video wurde vom BfDT in Auftrag gegeben und beim Festakt im ehemaligen Kosmos Kino Berlin gezeigt:

Die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung hat 2017 der Arbeitsgruppe Lampedusa-Hannover und mir den Integrationspreis verliehen. Auf dem Foto: Frau Polat (MdL), ich und Dr. Schneider (Vors. Lotto-Sport-Stiftung Niedersachsen) bei der Verleihung in Osnabrück.

Aus der Website der Stiftung:

„Die Arbeitsgemeinschaft Unser Herz schlägt auf Lampedusa und Medinetz Hannover e.V. leisten mit ihrem Schulprojekt „Ein Morgen vor Lampedusa“ einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Jugendlichen in Bezug auf die Lebenssituation der Geflüchteten. Die Arbeitsgemeinschaft gestaltet an Schulen szenische Lesungen zu der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa im Herbst 2013, als ein mit 545 überbesetztes Boot kenterte und 366 Geflüchtete ertranken.

„Mit dem Preis will die Stiftung Projekte auszeichnen, die sich durch außergewöhnliches Engagement der Beteiligten und deren Professionalität auszeichnen“, sagte Dr. Hans Ulrich Schneider, Vorsitzender des Vorstands der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung, „zudem war die Zusammenarbeit des Preisträgers mit der Stiftung von Beginn an vorbildlich.“

Die Dozentin Karina Horsti (University Lecturer, Department of Social Sciences and Philosophy, University of Jyväskylä und Docent, Faculty of Social Sciences, University of Helsinki) hat 2021 der szenischen Lesung ein Essay gewidmet. Es wurde in englischer Sprache unter dem Titel „Civil investigation of a migrant disaster as a cultural intervention against injustice“ in der italienischen Zeitschrift „Studi culturali“, Il Mulino Verlag, veröffentlicht.

Die 100. Lesung in der Matthiaskirche Hannover mit den Sprecherinnen und Sprechern des Spielkreis Theater und Francesco Impastato

Zur Entstehung der szenische Lesung

Anfang Oktober 2013 stand auch ich unter dem Eindruck der Ereignisse, die sich vor Lampedusa abgespielt hatten: Ein Fischerboot mit weit über 500 Geflüchteten an Bord war ganz in der Nähe der Insel gekentert, 368 Menschen ertranken. Es gab auch vorher ähnliche Tragödien im Mittelmeer, aber nie so nah der Küste und nie mit so vielen Toten.

Ich befasste mich sehr intensiv mit dem, was geschehen war: Aus der italienischen und internationalen Presse rekonstruierte ich so gut wie möglich die Tragödie, identifizierte mehrere Zeugen und nahm mit ihnen Kontakt auf. Mein Ziel war, die Tragödie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und ich wollte deswegen irgendendetwas unternehmen. Aber was?

Schließlich schlug ich einer kleinen Gruppe von Freunden und Bekannten  ein Theaterprojekt in Form einer szenischen Lesung vor. Diese Entscheidung beruhte auf Erfahrungen, die ich in den Jahren zuvor gemacht hatte („Tariqs Auftrag“ und „C’era in Germania un Girasole“). Sie war geeignet die Kosten sehr in Grenzen zu halten, da der Text vorgelesen werden sollte. Dafür reichten einige Sprecherinnen und Sprecher aus.

Lesung in der Marktkirche: mit (von links) Jochen Gerner, Christine Gerner, Rüdiger Hofmeister, Sigrid Jahnel, Arne Bostermann und der Sänger und Francesco Impastato.

Francesco Impastato – Sizilianer, Musiker und Sänger – erklärte sofort seine Bereitschaft die Musik der Lesung zu komponieren. Der Verein „Archivio Storico Lampedusa“ lieferte viele Bilder. Der „Spielkreis Theater der Matthias Kirche Hannover“ stellte zehn Sprecherinnen und Sprecher zur Verfügung. Und wir fanden sehr schnell mehrere Förderer, die die unvermeidbaren Kosten der Lesung übernahmen.

Im März 2014 startete endlich das Projekt. Die Vorpremiere fand im Haus der Hauptverwaltung der IG BCE in Hannover statt, die Premiere in der Cumberlandschen Galerie des Schauspielhauses Hannover. Zehn bis fünfzehn Lesungen wollten wir dann in Hannover und Umgebung präsentieren.

Die Premiere in der Cumberlandsche Galerie am 30.3.2014

Was dann geschah hatten wir ich wirklich nicht erwartet: Schon bei der Premiere wurden wir gefragt, ob die Lesung an anderen Orten stattfinden könnte. Da wir aber nicht überall hinreisen konnten, schlug ich vor, dass die Interessenten die Veranstaltung selbst organisieren sollten. Wir würden helfen und sämtliche nötigen Materialien (Skripten, Musik, Bilder) zur Verfügung stellen.

Die szenische Lesung kann auch heute von interessierten Schulen, Kirchengemeinden und Vereinen veranstaltet werden. Wir werben nicht für das Projekt, aber dank des „Schneeballeffekts“ werden wir immer wieder von neuen Partnern gefragt, ob wir sie unterstützen können.
Mit ihnen schließen wir eine Vereinbarung ab und eine neue Veranstaltung entsteht. Wie das geht, sehen Sie auf der Website der Arbeitsgruppe „Unser Herz schlägt auf Lampedusa“ : www.lampedusa-hannover.de